Wird Thomas Cook chinesisch? Zumindest laufen Gespräche für eine Übernahme des Veranstaltergeschäfts durch den größten Aktionär Fosun. Der Konzern aus Schanghai verfügt über einen bunten Strauß von Beteiligungen – und eine ganz eigene Philosophie.
Von Versicherungen bis Pharma-Produzenten, von Stahlwerken bis Modeherstellern, von Kosmetik bis Tourismus – die Bandbreite von Fosun ist groß. Der Geschäftsbericht der Gruppe aus Schanghai, die 1992 zunächst als Pharmaunternehmen von Guo Guangchang und einigen seiner Kommilitonen von der Schanghaier Fudan-Universität gegründet wurde, weist eine Vielzahl von Beteiligungen aus. Unter den neun Sparten findet sich auch Tourismus. Sollten die Chinesen ein formelles Angebot für das Veranstaltergeschäft von Thomas Cook vorlegen, würde die Reisesparte deutlich größer. Zumindest passt die bekannte Marke in die Strategie von Fosun, die ihre zahlreichen Beteiligungen in die drei "Ecosysteme" Health (Pharma, Krankenhäuser, Ernährung), Wealth (Versicherungen, Banken, Industrie) und Happiness (Tourismus, Mode, Lifestyle) untergliedern.
Beteiligungen auch in Deutschland
Guo Guangchang, der die Gruppe als Chairman führt und als einer der wohlhabendsten Chinesen gilt, setzt auf eine immer größer werdende chinesische Mittelschicht, die für das Wohlergehen der Familie Geld ausgibt. Schon frühzeitig investierte er auch im Ausland. So gehören die portugiesische Versicherung Fidelidade, die deutsche Privatbank Hauck & Aufhäuser, der bayerische Automobilzulieferer Koller, der hessische Fertigungstechnik-Experte FFT, der österreichische Modehersteller Wolford oder die israelische Kosmetikmarke Ahava zum Portfolio. Am kanadischen Cirque du Soleil hält Fosun eine Minderheit. Der gesamte Umsatz von Fosun betrug laut Geschäftsbericht 2018 umgerechnet 13,9 Mrd. Euro, der Gewinn nach Steuern 2,2 Mrd. Euro.
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Im Tourismus sorgte Fosun erstmals für Aufsehen, als die börsennotierte Gruppe Anfang 2015 nach einem monatelangen preistreibenden Bietergefecht Club Med übernommen hatte. Der französische Club-Betreiber wurde damals mit 939 Mio. Euro bewertet, obwohl er kaum Gewinne schrieb und einen Investitionsstau hatte. Fosun beließ Club-Med-Chef Henri Giscard d'Estaing als CEO im Amt und drehte das Geschäft mit neuen Anlagen, auch in China. Der Sohn des früheren französischen Präsidenten ist heute sogar Vizechef der Fosun Tourism Group, die sich auch "Folidays" als Kurzform für "Fosun Holidays" nennt.
Chairman Guo Guangchang setzt auf Marken
Ende vergangenen Jahres brachte Fosun eine Minderheitsbeteiligung an der Fosun Tourism Group in Hongkong an die Börse. Fosun Tourism, die 2018 umgerechnet 2,2 Mrd. Euro umsetzten und 51 Mio. Euro verdienten, setzt auf klangvolle Namen, zu denen neben Club Med auch die Hotelmarke Atlantis gehört. Auf der Ferieninsel Hainan wurde vor einem Jahr das umgerechnet 1,4 Mrd. Euro teure riesige Atlantis Resort mit Wasserpark eingeweiht, das wirtschaftlich sehr gut angelaufen ist. Generell betont Guo Guangchang im Geschäftsbericht 2018 den Wert von großen Marken – insofern würde die weltweit und auch in Asien sehr bekannte Marke Thomas Cook ins Portfolio passen. In Schanghai haben der britische Veranstalter und Fosun den Veranstalter Thomas Cook China gegründet und planen ein Sunwing-Hotel und ein Casa Cook in China.
Fosun hat mit Fluggesellschaften nichts am Hut
Ziel sei ein "wirklich internationales Unternehmen" im Tourismus, sagte Jim Jiannong Qian, Chef der Fosun Tourism Group, auf der ITB. Mit Europa und China sei man in den größten Reisemärkten der Welt aktiv und könne Synergien erzielen. Anders als die aus dem Airline- und Logistikgeschäft kommende HNA Group, die nach einer wilden, kreditfinanzierten internationalen Akquisitionstour auf Geheiß der Regierung ihr Geschäft wieder zurückschraubt und unter anderem ihren Hilton-Anteil wieder verkaufte, setzt Fosun auf das Veranstalter- und Hotelgeschäft und hat keine Ambitionen, selbst eine Fluggesellschaft zu betreiben. Dies würde zur neuen Ausrichtung der Thomas Cook Group passen, die nach dem laufenden Verkauf ihrer Airline-Sparte nach der Vorstellung von CEO Peter Fankhauser zu einer "führenden Kette von Ferienhotels wird, die von der Vertriebskraft unserer Veranstalter profitieren." Mit den EU-Flugrechten wäre ein chinesischer Inhaber ohnehin nicht vereinbar.
Der Pauschalreise-Pionier erhielte durch den Einstieg des langfristigen Gesellschafters Fosun Stabilität. Viele andere Aktionäre, die von dem starken Kursverfall der vergangenen Monate gebeutelt sind, würden nach Ansicht von Londoner Analysten bei einem für sie erträglichen Kaufangebot für ihre Aktien mitziehen. Das Horrorszenario für die kleineren Aktionäre wäre ein Debt-for-Equity-Deal, über den in London auch spekuliert wird. Dann würden die Kreditgeber ihre Schulden in eine Beteiligung umwandeln und die Aktionäre, zumeist institutionelle Anleger, außen vor lassen. Fosun hat nach Angaben von Analysten rund 200 Mio. Pfund (225 Mio. Euro) in den Aufbau einer gut 18-prozentigen Beteiligung investiert.
Ausgemacht ist ein Fosun-Deal noch nicht. Denkbar wäre auch, dass Private-Equity-Investoren mitbieten. Sie wollen allerdings in der Regel ein Unternehmen nach einigen Jahren mit einer Wertsteigerung weiterverkaufen – viele Käufer eines Reiseveranstalters sind aber nicht in Sicht. Guo Guangchang und sein Management gelten als gute Kaufleute und harte Rechner. Das bekommt derzeit die angeschlagene Hamburger Textilkette Tom Tailor zu spüren, an der Fosun eine Minderheit hält. Dort drängen die Banken auf eine weitere Finanzspritze von Fosun, die sich aber zugeknöpft zeigen und nun erstmal den deutschen Aufsichtsratsvorsitzenden durch einen Chinesen ersetzt haben.
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