Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Müller ist neue Tourismuskoordinatorin des Bundes. Welche Schwerpunkte sie setzen will, erläutert sie im Interview mit ahgz-Chefredaktuer Rolf Westermann.
Herzlichen Glückwunsch, Claudia Müller, zum neuen Amt. Sie sind neben dem Tourismus auch Ansprechpartnerin für maritime Wirtschaft. Ihr Vorgänger Thomas Bareiß hatte den gesamten Mittelstand als Aufgabengebiet. Ist ihr Segment zu eng geschneidert?
Claudia Müller: Das finde ich überhaupt nicht. Beide Felder sind umfangreich und haben viele Berührungspunkte wie die Fachkräftesicherung oder klimafreundliche Betriebe. Und beide Branchen sind von Corona besonders betroffen, stehen vor großen Herausforderungen mit Blick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
In ihren Reden haben Sie sich als Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern oft zur maritimen Wirtschaft geäußert. Welchen Stellenwert hat für Sie der Tourismus allgemein?
Einen hohen Stellenwert. Mecklenburg-Vorpommern ist das Tourismus-Bundesland in Deutschland schlechthin, das ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Ich komme aus dem Landkreis mit den großen touristischen Gebieten, der Insel Rügen, Fischland Darß, Zingst. Tourismus begegnet mir praktisch immer, wenn über Wirtschaft gesprochen wird.
Von 2000 bis 2011 waren Sie freiberuflich tätig im Tourismusbereich. Was haben Sie genau gemacht?
Ich habe als Reiseleiterin im Incoming-Tourismus vor allem englisch- und schwedischsprachige Touristen von Kreuzfahrten betreut. Die Aufträge erstreckten sich bis Lübeck und Berlin. Weitere Gebiete waren der Incentive-Bereich und Firmenveranstaltungen.
Warum werden Hotels oft zuerst geschlossen, obwohl sie nach Studien ein geringes Corona-Übertragungsrisiko haben?
Aus meiner Kenntnis gibt es aktuell keine kompletten Schließungsanordnungen von Hotels mit Ausnahme von Sachsen, wo wegen der hohen Inzidenzen ein touristisches Beherbergungsverbot gilt. Es sollen touristische Reisen vermieden werden, um das Verbreitungsrisiko zu minimieren, da geht es gar nicht mal so sehr um die Hotels selbst. Tanzlokale und Kulturveranstaltungen wurden noch schneller geschlossen.
Ich sehe, dass die 2G-Regeln und Hygienemaßnahmen eingehalten und sehr gut kontrolliert werden. Wichtig ist, wenn wir zu Maßnahmen wie Schließungen greifen müssen, dass dies ganz klar auf regionaler Basis geschieht. Es ist kaum zu vermitteln, wenn etwa wegen hoher Inzidenzwerte in Thüringen Betriebe in Schleswig-Holstein schließen müssten.
Wie steht die Tourismuswirtschaft in Deutschland nach Corona da, und wie kann die Regierung das Segment unterstützen?
Das Gastgewerbe ist eine der am schwersten betroffenen Branchen der Pandemie mit sehr hohen Umsatzeinbußen von real 50 Prozent. Es gab im Sommer eine Erholung im touristischen Bereich, aber nicht bei den Caterern und Tagungsveranstaltern. Gerade im Messebereich wird es noch eine Weile brauchen, um wieder auf den Vorkrisenstand zu kommen.
Wir haben auch gesehen, dass die Pandemie den Fach- und Arbeitskräftemangel in diesen Bereichen deutlich verschärft hat. Wir haben eine unglaubliche Abwanderung erlebt und haben 17 Prozent weniger Beschäftigte als 2019. Im Oktober 2021 wurden fast 50.000 offene Stellen der Arbeitsagentur gemeldet. Es ist nicht zu erwarten, dass die Fachkräfte alle zurückkommen. Diese Frage wird uns sehr umtreiben. Service findet mit Menschen statt, das wird eine der großen Herausforderungen.
Wie geht es mit der nationalen Tourismusstrategie weiter, und welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Wir werden den Prozess, der in der vorigen Legislaturperiode begonnen wurde, fortsetzen. Schwerpunkt ist, dass wir den Tourismusstandort Deutschland krisensicher, klimafreundlich, sozial gerecht und innovativ machen wollen. Es geht auch um die Frage, wie sich die Geschäftsmodelle etwa von Reisebüros mit der Digitalisierung weiterentwickeln können. Der Transport soll klimafreundlicher werden, das gilt nicht nur für Kreuzfahrtschiffe. Diese Fragen betreffen nicht nur Deutschland.
Dieser Text erschien zuerst auf www.ahgz.de.
1 Kommentar
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Schade, leider fast nur auf Deutschland-Tourismus ausgelegt. Dass die Deutschen einen Großteil ihrer Urlaube/Reisen im Ausland verbringen, muss auch Teil einer gesunden Tourismuspolitik sein. Hier zähle ich besonderes das nachhaltige Reisen dazu (Ökologie, Sozialverträglichkeit und faire Ökonomie).