Immer mehr junge Menschen und Familien entdecken Tschechien als Reiseland, sagt Czech-Tourism-Chef Jan Herget im Interview mit fvw|TravelTalk. Alles über seine Tourismusstrategie in diesem und nächsten Jahr.
Zwei Millionen weniger Touristen als noch vor der Corona – der Ausfall von Russen, Chinesen und Japaner trifft Tschechien hart. Als umso erfreulicher bewertet Czech-Tourism-Chef Jan Herget die Entwicklung der deutschen Gästezahlen: Sie zeigen nach oben. Schon vor Corona legte das Land in der Gunst der Deutschen deutlich zu. Dieser Trend geht weiter – mit geänderten Zielgruppen.
fvw|TravelTalk: Herr Herget, welche Urlauber reisen derzeit nach Tschechien?Jan Herget: Seit Ostern nehmen die Besucherzahlen aus Deutschland stark zu. Auch jüngere Leute reisen zu Groß-Events in Prag. Was uns noch fehlt, sind die älteren Menschen, die über Busreiseveranstalter kommen. Vor der Pandemie hatten wir im Mai täglich um die 50 Busse, nun waren es eher nur zehn.
Woran liegt das?Es herrscht nach wie vor Verunsicherung, bedingt durch Krieg und Corona. Wir sagen daher sehr klar: Tschechien ist geöffnet, es gibt keine Beschränkungen, und der Ukraine-Krieg stellt für uns keine größere Gefahr dar als für andere EU- und Nato-Länder.
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Und wie sieht es bei anderen Zielgruppen aus?Familien entdecken Tschechien – das ist ein neuer Trend. Gerade in Kurorten wie Marienbad verzeichnen die Hotels mehr jüngere Gäste, angezogen von vermehrten Wellness- und Lifestyle-Angeboten. Hinzu kommt, dass Marienbad, Karlsbad und Franzensbad neu zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. Unser Ziel ist es, noch mehr Familien zu gewinnen für Regionen wie das Erzgebirge oder Riesengebirge, aber eben auch für die Kurbäder.
Wichtig für Familien sind auch die Preise. Ist Tschechien überhaupt noch günstig? Im Juni betrug die Inflation immerhin 17,2 Prozent.Im Vergleich zu Berlin, München oder Wien sind die Hotelzimmer in Prag nach wie vor günstiger. Zudem erhalten sie in der Zeit noch ein Mittagsmenü für sechs Euro. Und gerade in der Hochsaison bieten die städtischen Hotels sehr gute Angebote. Zumal die Qualität in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, in der Gastronomie ebenso wie in der Hotellerie.
Gestiegenes Interesse bei Veranstaltern
Die meisten Tschechien-Urlauber reisen individuell. Wie wichtig ist der B2B-Bereich für das Land?Wir verzeichnen ein steigendes Veranstalter-Interesse an Tschechien. So kamen zu unserem diesjährigen Travel Trade Day in Karlsbad so viele deutsche Veranstalter wie noch nie. Außer an Wellness und Kuren zeigen sie Interesse an Produkten im Aktiv- und Abenteuerbereich. Ganz neu sind die längste Hängebrücke der Welt in Ostböhmen und der Mucha-Lehrpfad in Südmähren. Beliebt ist auch die vom Alpenverein angelegte mehr als 1000 Kilometer lange Grenzwanderstrecke. Hier könnten Veranstalter komplette Pakete mit Gepäcktransport anbieten.
Aktivurlaub, Outdoor und Sport bleiben also Fokusthemen?Ja. Sehr beliebt bei Deutschen ist der Elbe-Radweg, und zu unseren neueren Angeboten zählen Hausboot-Touren in Südmähren. Die lassen sich etwa mit Klettern verbinden, aber auch mit Städte-Trips nach Budweis oder Krumlau. Im Herbst lockt dann die Weinlese. Sich in der Natur zu bewegen und lokal zu versorgen – ein solcher Urlaub ist zugleich sehr nachhaltig.
Traditionen – modern interpretiert
Für B2B dürften aber auch die älteren Gäste wichtig sein …Die wollen wir zurückgewinnen. Wir zählen immerhin zu den zehn sichersten Ländern der Welt, und von den schrecklichen Ereignissen in der Ukraine sind wir nicht direkt betroffen.
Stehen in diesem Jahr denn bestimmte Produkte im Fokus?Unser Motto für 2022 und 2023 lautet "Nicht nur Trachten". Wir wollen die vielfältigen Traditionen Tschechiens in einer zeitgemäßen Interpretation darstellen. So lässt sich die Glasherstellung in Nordböhmen erleben – als "Crystal Valley". Und unsere Braukunst lässt sich beispielsweise auch als Bier-Spa oder in Form innovativer Craft-Biere genießen. Immer im Fokus steht dabei die Authentizität, die wir bieten können – ganz besonders an Orten, die touristisch nicht überlaufen sind, von Brünn bis Pilsen.
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