Die Kluft zwischen Nationen, denen fast alle Grenzen offen stehen, und denen, deren Reisepässe kaum anerkannt sind, wächst spürbar. Die Corona-Pandemie hat diese Schere weiter geöffnet.
Das jedenfalls legen die Ergebnisse des "Henley Passport Index" nahe, der jedes Jahr untersucht, mit welchen Reisepässen Urlauber in die meisten beziehungsweise wenigsten Länder kommen, ohne umständlich Visa beantragen zu müssen.
Dabei stechen zwei Faktoren aus der neuesten Untersuchung hervor. Zum einen haben die Spitzenreiter
Japan und
Singapur ihren Vorsprung weiter ausgebaut. Sie kommen nun auf rekordverdächtige 192 Länder, in die ihre Passinhaber visumfrei einreisen dürfen.
Zum anderen war der Unterschied zwischen den "guten" und den "schlechten" Pässen in den 17 Jahren des Bestehens des Index noch nie so groß wie heute. So bildet der Pass
Afghanistans den absoluten Gegenpol zum japanischen und singapurischen: Er gilt für 166 Länder weniger und steht damit ganz am Ende.
Reisefreiheit deutlich gestiegen
Insgesamt habe die Reisefreiheit in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten deutlich zugenommen, wie das Unternehmen betont. So konnte ein Passinhaber im Jahre 2006 im Durchschnitt 57 Länder besuchen, ohne vorher ein Visum erwerben zu müssen. Heute hat sich diese Zahl fast verdoppelt und liegt bei 107.
Hinter dem Gesamtanstieg verberge sich jedoch die angesprochene wachsende Kluft zwischen den Ländern des globalen Nordens und denen des globalen Südens. So stünden Staatsangehörige aus Ländern wie
Schweden und den
USA mehr als 180 Staaten visumfrei offen, während Passinhaber aus
Angola,
Kamerun und
Laos nur in etwa 50 Länder ohne vorherigen Antrag einreisen könnten.
Auf Platz zwei des Index liegen
Deutschland und
Südkorea. Passinhaber beider Länder können 190 visumfreie Reiseziele besuchen. Auf Platz 3 folgen – mit jeweils 189 Ländern –
Finnland,
Italien,
Luxemburg und
Spanien.
USA und England gewinnen
Rang 4 (188 Länder) belegen gemeinsam
Österreich,
Dänemark,
Frankreich,
die Niederlande und
Schweden, gefolgt auf Rang 5 von
Irland und
Portugal (187).
Die Pässe der
USA und
Großbritanniens haben etwas von ihrer früheren Stärke zurückgewonnen, nachdem sie 2020 auf Rang acht zurückgefallen waren – der schlechteste Platz, den diese Länder in den vorigen 17 Jahren innehatten. Beide Länder liegen jetzt auf Rang 6 mit einem Wert von 186 für Visumfreiheit und Visum bei der Einreise. Diesen teilen sie sich mit der
Schweiz,
Norwegen,
Belgien und
Neuseeland.
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Ihren Aufwärtstrend im Index haben die
Vereinigten Arabischen Emirate fortgesetzt, nachdem sie ihr von den USA vermitteltes Abkommen mit Israel wieder in Kraft gesetzt haben. Das Land liegt nun auf Platz 15 der Rangliste, der höchste Platz, den ein arabischer Staat jemals erreicht hat: VAE-Bürger können visumfrei in 175 Länder reisen.
Erhebliche Fortschritte haben auch die
Ukraine und
Georgien gemacht: Beide sind in den vergangenen zehn Jahren um jeweils 25 Plätze in der Rangliste aufgestiegen und sind damit die größten Aufsteiger unter den ehemaligen Sowjetrepubliken.
Am Ende der Liste stehen mit weniger als 30 visumsfreien Ländern
Syrien,
Irak und
Afghanistan.
Insgesamt werde deutlich, dass Bürger aus Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen in die meisten Länder visumfrei einreisen könnten, während Bürger aus Staaten mit niedrigem Einkommen und hoher wirtschaftlicher wie politischer Unsicherheit weit weniger Reisefreiheit genössen. Grund sei vermutlich die Befürchtung vieler Staaten, dass Letztere eine Einreise zur Flucht aus ihrem Heimatstaat nutzen könnten.
Interessant sei, dass Bürger demokratischer Staaten zwar im Durchschnitt in mehr Ländern visumsfrei einreisen dürften, dass aber zugleich Demokratien wie autoritäre Regime seit 2006 in ähnlichem Maße von einer zunehmenden Visumsfreiheit profitierten. So wirke sich der Trend in Richtung "autoritärer Regierungsstil" nicht negativ auf die internationale Mobilität aus.
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