Eine Rolle spiele zudem, dass die USA in den vergangenen Monaten Schauplatz von Naturkatastrophen wie den Waldbränden in Kalifornien und Angriffen wie dem Anschlag von Las Vegas waren. In einigen Quellmärkten hatte indes die Politik der neuen Regierung unmittelbare Folgen. Dow: „Wenn Menschen aus bestimmten Ländern nicht wissen, ob sie überhaupt kommen dürfen oder bei der Einreise verschärft kontrolliert werden, beeinflusst das die Reiseentscheidung.“ Der deutsche Markt präsentiert sich relativ stabil. Auf Basis der August-Zahlen zeichnet sich für das Gesamtjahr 2017 ein leichtes Minus auf rund zwei Millionen Gäste ab – immer noch das viertbeste Ergebnis überhaupt.
Zur Erinnerung: Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sowie Wirtschafts- und Finanzkrisen dauerte es mehr als ein Jahrzehnt, um die einstigen Höchststände von Ende der 90er Jahre zu übertreffen; 2014 wurde erstmals überhaupt die Zwei-Millionen-Schwelle genommen, 2015 mit knapp 2,3 Mio. deutschen Besuchern sogar ein neuer Rekordwert erzielt. Unter dem Eindruck des schwachen Euro, der Reiseausgaben in den USA deutlich verteuerte, ging es 2016 sogar zweistellig (minus 10,4 Prozent) bergab. Mit dem nur leichten Rückgang 2017 deutet sich somit bereits ein Ende der Talfahrt an. Zumal sich die Wechselkurssituation beruhigt: Der Euro hat im ersten Quartal deutlich auf mehr als 1,20 Dollar zugelegt, dies wird sich mittelfristig auch in den Reisepreisen der Veranstalter niederschlagen. Die zeigen sich denn auch relativ entspannt und gehen für 2018 von einem zumindest stabilen USA-Jahr aus.
Auch im Vergleich mit anderen Quellmärkten schneidet Deutschland – das übrigens mit 24 Prozent den höchsten Anteil an Geschäftsreisenden unter den Besuchern stellt – relativ gut ab: Unter den Top Ten melden lediglich Kanada, Südkorea und Frankreich Zuwächse, alle anderen Aufkommensmärkte weisen zum Teil erhebliche Rückgänge aus. Insgesamt dürften die USA daher 2017 – nach dem leichten Rückgang ein Jahr zuvor – erneut mit einem Minus abschließen und deutlich unter die 75-Mio.-Besucher-Schwelle zu fallen.
Aufkommensstarke Städte wie New York und Los Angeles melden zwar trotz der Zurückhaltung ausländischer Gäste Rekordzahlen. Aber Chris Heywood von der Marketingorganisation NYC & Co weist darauf hin, dass ein Tourist aus dem Ausland im Schnitt viermal so viel Geld ausgibt wie ein Inlandsgast. Die Folgen der Flaute sind gravierend: In den gesamten USA summierten sich 2017 die Einnahmenrückgänge der Tourismusbranche bis Ende November um 3,3 Prozent auf 4,6 Mrd. US-Dollar. „Wenn wir als Land das Handelsdefizit mit dem Ausland ausgleichen wollen, brauchen wir ausländische Touristen“, bekräftigt daher US-Travel-Chef Dow. Derzeit formiert die US-Reisebranche eine Lobbygruppe, die die Regierung zu mehr Unterstützung des Incoming-Tourismus bewegen soll.
Während das Interesse der Deutschen an den USA momentan stagniert, glänzt Kanada seit Jahren mit ungebremstem Wachstum: 2013 wurden im Land noch 311.000 deutsche Gäste gezählt, 2017 waren es bereits rund 389.000. Das entspricht einem Wachstum um 25 Prozent – und doch bleibt das Ahornland anders als die USA damit noch deutlich unter dem bisherigen Höchststand von mehr als 450.000 deutschen Besuchern 1996 zurück.
Im vergangenen Jahr lag das Plus gegenüber den vorangegangenen zwölf Monaten bei 5,4 Prozent. Dabei spielten Kanada gleich mehrere Trümpfe in die Hände: Das 150-jährige Staatsjubiläum bescherte dem Land mit zahlreichen Events mediale Aufmerksamkeit und allen Besuchern kostenlosen Eintritt in die Nationalparks. Der günstige Kanadische Dollar und moderate Flugpreise dank deutlich gesteigerter Kapazitäten machten den einstigen Preisnachteil
gegenüber den USA wett. Und anders als der große Nachbar sammelt Kanadas Regierung unter dem jungen, charismatischen Premier Trudeau weltweit Sympathiepunkte. Auch das internationale Gesamtaufkommen wuchs daher 2017 um mehr als vier Prozent auf 20,8 Mio. Ankünfte. „Wir haben starken Rückenwind“, freut sich David Goldstein, Chef von Destination Canada, „und profitieren von dem positiven Bild, das das internationale Reisepublikum von unserem Land hat.“
Für Kanadas Tourismuswerber soll der Aufschwung aber noch lange nicht zu Ende sein. Für Deutschland hat sich Destination Canada das ehrgeizige Ziel von einer halben Million Gäste im Jahr 2020 gesetzt – das entspräche einem jährlichen Wachstum von mehr als acht Prozent. Keine einfache Vorgabe für das hiesige Destination-Canada-Team unter der neuen Leitung von Barbara Ackermann, die im Frühjahr den bisherigen Deutschland-Chef Karl-Heinz Limberg nach über einem Vierteljahrhundert ablöst.
Viel wird davon abhängen, ob und wie es Kanada gelingt, Lösungen für die bereits jetzt auftretenden Engpässe in Hotspots wie Vancouver, Banff und Jasper zu finden. Die beliebten Destinationen bieten kaum Möglichkeiten, neue Kapazitäten zu schaffen. Daher gilt es, die relativ kurze Saison zu verlängern – dazu müssen auch Hoteliers, Attraktionen und andere Leistungsträger mitspielen und ihre Betriebe im Frühjahr und Herbst länger offen halten. Auch die Flotten der Motorhome-Vermieter stoßen in der Hauptsaison früh an ihre Grenzen – wer sich ein Fahrzeug sichern möchte, ist gut beraten, schnell zu buchen.
Neben der Saisonverlängerung setzt Destination Canada auch auf bisher weniger frequentierte Regionen: Gerade die Atlantik- und die Prärieprovinzen bieten noch viel Potenzial, ist man überzeugt. Die nächste Herausforderung besteht darin, Urlauber vom Vorurteil „Kanada = kalt“ abzubringen und für die Nebensaison und Nischenziele zu begeistern. Richten soll es die 2015 gestartete Digitalstrategie im Marketing: Die ist gerade unter Veranstaltern nicht unumstritten, scheint aber bisher zu wirken.
Chile, Ekuador, Kolumbien: Immer mehr südamerikanische Länder, die nicht zu den großen Zielen des Kontinents gehören, steigen neuerdings in der Gunst des deutschen Reisepublikums. Während die Einreisezahlen in traditionell beliebten Zielen wie Brasilien und Peru im Jahresvergleich nachgeben, glänzen andere Destinationen. Kolumbien etwa erholt sich vor allem auch, weil die politischen Verhältnisse derart gefestigt sind, dass Touristen nicht mehr um ihre persönliche Sicherheit fürchten müssen. Entsprechend ist die Zahl der Einreisen aus Deutschland seit 2013 von 44.000 auf 70.500 geklettert.
Über deutliche Zuwächse können sich auch Chile und Ekuador freuen. Chile ist mit 78.300 Gästen (plus sechs Prozent) beliebtestes Südamerika-Ziel hinter Brasilien und Peru. In Ekuador, 2017 Ziel von 33.500 deutschen Urlaubern, ist für 2018 ist mit weiterem Wachstum zu rechnen, da in der Wintersaison Condor neu zweimal wöchentlich in die Hauptstadt Quito fliegt. In dem Land ziehen vor allem die berühmten Galapagosinseln mit ihrer einmaligen Tierwelt zahlreiche Touristen an.
Brasilien dagegen hat 2016 – zumindest im Quellmarkt Deutschland – unter den negativen Auswirkungen der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro gelitten. Schon seit einigen Jahren beobachtet die Reisebranche, dass in Olympia-Jahren gerade die Austragungsorte eher gemieden als besucht werden. So war London 2012 deutlich weniger gefragt als in den Vor- und Folgejahren. Dieser Effekt gilt als einer der Gründe für den Rückgang der Besucherzahlen aus Deutschland im Jahr 2016 um fast 17 Prozent auf weniger als 222.000, wogegen das Gesamtaufkommen leicht auf 6,6 Mio. zulegte.
Dabei spielt in Brasilien der Inlandstourismus eine wichtigere Rolle als die internationalen Besucher. Das World Travel and Tourism Council (WTTC) hat beispielsweise errechnet, dass nur 6,5 Prozent der Tourismuseinnahmen aus dem Ausland stammen.
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