Ein neues Reisebüro mitten in der Krise eröffnen? Atiye Camyesil-Kurudayana hat sich das getraut. So blickt sie auf das Jahr 2021 zurück – und das erwartet sie von 2022.
Atiye Camyesil-Kurudayana hat nicht nur ein Reisebüro am Münchner Flughafen. Im Juli 2021 eröffnete sie trotz Krise ein zweites Büro im schicken Münchner Stadtteil Bogenhausen. Dafür stellte sie eine weitere Mitarbeiterin ein. Woher nimmt sie ihre Zuversicht? Und wie blickt sie auf 2022? Das erklärt sie im Interview.
fvw|TravelTalk: Frau Camyesil-Kurudayana, woher haben Sie den Mut und die Zuversicht genommen, mitten in der Pandemie ein weiteres Reisebüro zu öffnen?
Atiye Camyesil-Kurudayana: So mutig war das gar nicht. Ich habe einen sehr guten Stammkundenkreis, für den ich weiter da war und bin. Wir haben nach Eröffnung des neuen Büros den Service hochgeschraubt und dafür keine Service-Gebühren verlangt. Das Wichtigste: Wir waren immer da und immer erreichbar. Das Licht in unserem Büro war immer an, und wir waren anwesend, auch wenn unsere Kunden nicht persönlich zu uns kommen konnten. Aber man hat von außen gesehen, dass das Büro in Betrieb ist. Damit haben wir auch in unserem Büro am Münchner Flughafen sehr gute Erfahrungen gemacht.
Wie wichtig ist es, mit den Kunden in Kontakt zu bleiben, wenn auch nur telefonisch oder per E-Mail?
Das ist das A und O. Übrigens motiviert das auch einen selbst, weil man merkt, dass es trotz der sehr schwierigen Situation weitergeht.
Was hat Ihnen Kraft für die Entscheidung gegeben, in der Krise ein weiteres Büro zu öffnen?
Meine langjährige Erfahrung und vor allem die Liebe zur Touristik. Ich wollte weiter für meine Kunden da sein.
Für Ihr neues Büro mussten Sie ja aber erst Neukunden gewinnen.
Klar, an der Stelle bin ich natürlich ein unternehmerisches Risiko eingegangen. Allerdings bin ich über private Kontakte schon etwas in Bogenhausen vernetzt. Was außerdem richtig gut funktioniert hat: Ich bin nach der Eröffnung durch viele Geschäfte, Arztpraxen oder Rechtsanwaltbüros in der Nachbarschaft gegangen, habe mich persönlich vorgestellt und mein Interesse an einer Kooperation bekundet. Kleiner Nebeneffekt dieser Gespräche: Die Ansprechpartner selbst bekommen mit, dass es ein neues Reisebüro in ihrer Nähe gibt und dass es dort eine freundliche und kompetente Beratung gibt.
Demotiviert Sie die Corona-Pandemie denn gar nicht?
Wir haben nie die Hoffnung verloren. Wir haben uns gesagt, wir haben eine Pandemie, schlimmer kann es gar nicht werden – selbst im Vergleich zur Thomas-Cook-Pleite.
Man muss die Motivation oben halten: Wir haben uns aktiv gekümmert, auch um andere Projekte in der Touristik. Zum Beispiel haben wir mit dem Reisebüro-Verein GPTA eine Spendenaktion gestartet, als es die Waldbrände in der Türkei gab.
Wir haben uns gegenseitig Mut gemacht. Und natürlich intensiv Personalgespräche geführt, um zu motivieren und Sorgen und Ängste aufzufangen. Außerdem haben wir die Zeit genutzt, um uns weiterzubilden und in Richtung Zukunft gedacht: Wir haben mit Hilfe der Überbrückungshilfen in die Digitalisierung investiert und Software angeschafft, mit der wir weiter mit unseren Mitarbeitern und den Kunden kommunizieren konnten.
Wie motivieren Sie sich, wenn Sie doch mal in ein Tief stürzen?
Positiv denken, das Beste daraus machen, Kontakt und Austausch mit Partnern suchen: zum Beispiel über die Schmetterling-Kooperation. Sie hat mir sehr viel Mut gegeben, dafür ist eine Kooperation auch da. Wir haben von Schmetterling während der ganzen Zeit viele wichtige Informationen und Unterstützung bekommen. Wir hatten das Gefühl, wir sitzen in einem Boot und schaffen das.
Das neue Büro war sicher ein Highlight Ihres Jahres 2021. Gab es noch weitere?
Ein weiteres Highlight war ganz klar, dass ich den "Happy Days – Best Seller-Award" der Hotelkette Rixos verliehen bekommen habe. Das ist eine tolle Wertschätzung meiner Arbeit.
Was war Ihre größte Enttäuschung?
Es war sehr traurig und bedrückend, täglich den Flughafen ohne Flugverkehr zu sehen von meinem Büro aus. Am schlimmsten war aber für mich, dass ich meinen Kunden nicht helfen konnte, die zu kranken Verwandten oder zu Beerdigungen ins Ausland wollten, weil es einfach nicht ging. Da haben sich Dramen abgespielt, und wir waren hilflos. Da hätte man rückblickend seitens der Politik sicher einiges anders machen können.
Mit welchen Erwartungen gehen Sie ins nächste Jahr?
Ich gehe mit positiven Erwartungen ins Jahr 2022. Ich hoffe, dass sich noch viel mehr Menschen impfen lassen und es wieder weitgehend normal weitergeht und dass Reisen wieder uneingeschränkt möglich ist.
Welche ganz persönlichen Vorsätze haben Sie sich vorgenommen?
Den Mut nicht verlieren, weitermachen und das Beste aus der Situation machen.
1 Kommentar
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Eine tolle Serie. Interessant, wie unterschiedlich die Corona-"Erlebnisse" waren oder leider auch noch sind.