Immer weniger junge Menschen starten eine duale Ausbildung, zeigt das Statistische Bundesamt. Die Corona-Krise verschärft die Situation. Droht jetzt die Generation Corona?
Nach jüngsten Zahlen der Arbeitsagentur gab es Ende Juli gut acht Prozent weniger neue Ausbildungsplätze (499.000) als im Vorjahr. Dabei stellt das Statistische Bundesamt schon 2019 einen Rückgang fest: "In vielen Betrieben fehlte der Nachwuchs schon vor der Krise", heißt es zur Ausbildungsstatistik.
Auch in der Tourismusbranche fiel der Rückgang 2019 hoch aus. So sank die Gesamtzahl der angehenden Tourismuskaufleute im vergangenen Jahr auf 4497, stellt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fest. Das ist für die Branche ein neuer Tiefststand. In diesem Jahr wird ein weiterer, besonders drastischer Rüchgang erwartet.
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"Für Betriebe ist Ausbildung eine Investition, die sich nur bei positiven Geschäftsaussichten rechnet", erklärt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger, der durch die Corona-Auswirkungen allgemein mit einer sinkenden Ausbildungsbereitschaft rechnet. Er verweist auf Ungleichgewichte, wenn Ausbildungsplätze in großer Zahl wegfielen.
Leidtragende seien Jugendliche mit geringeren Bildungsabschlüssen, während die erfolgreicheren Schüler einfach länger im Schulsystem blieben. Das führe in der Tendenz zu einer weiteren Akademisierung der Ausbildung und zu Lücken bei den Fachkräften, die nicht mit Hochschulabsolventen zu schließen seien.
Um eine "Generation Corona" und einen anschließenden Fachkräftemangel zu verhindern, versuchen jetzt Betriebe, Gewerkschaften und die Agentur für Arbeit mit einem Ausbildungspakt gegenzusteuern. Der Ökonom Fitzenberger zieht den Vergleich zur Finanzkrise 2008/09 und warnt: "Im Jahr 2009 sank die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge um acht Prozent gegenüber dem Vorjahr, und zwischen 2008 und 2010 ging die Anzahl der ausbildenden Betriebe um fünf Prozent zurück. Dieser Rückgang wurde danach nie wieder aufgeholt."
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Auch Professor Stefan Sell sieht die aktuelle Lage kritisch. Der Ausbildungsmarkt stehe seit Jahren stark unter Druck, beobachtet von der Hochschule Koblenz. Die Schülerzahlen sinken, der Trend geht zum Studium, und immer weniger Betriebe bilden aus. "Die Corona-Krise hat die bestehende Schieflage weiter verstärkt", warnt der Arbeitsmarktexperte. "Das, was sich an den Azubi-Zahlen abzeichnet, sei sehr beunruhigend."
Um einen "Ausbildungsjahrgang Corona" zu verhindern, hat der Bund finanzielle Unterstützung für die Betriebe beschlossen. Wer weiterhin ausbildet oder sogar neue Plätze anbietet, kann Prämien von 2000 beziehungsweise 3000 Euro beantragen.
Der Staat zahlt auch Zuschüsse zu den Ausbildungsvergütungen und Übernahmeprämien, wenn Azubis aus insolventen Betrieben übernommen werden. Gewerkschaftler mahnen die Unternehmen, diese neuen Hilfen nun auch zu nutzen. "Wer als Arbeitgeber jetzt nicht alles tut, um neue Ausbildungsplätze zu schaffen und bestehende zu halten, wird spätestens nach Corona über den Fachkräftemangel klagen", so der DGB.
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