Der Fachkräftemangel treibt auch Reisebüros um. Bei der Suche kann die Präsenz auf neuen Plattformen und in neuen Foren helfen.
Wer sich dieser Tage mit Heribert Frey unterhält, bekommt mal ganz andere Töne zum Thema Fachkräftemangel zu hören. "Im Ausbildungsbereich sind wir dieses Jahr positiv überrascht worden", sagt der Geschäftsführer des LCC Pforzheimer Reisebüro. Derzeit seien bereits fünf Nachwuchskräfte in seinem Büro beschäftigt. Die Einstellung von drei weiteren sei geplant. "Und für September würden wir eine vierte Nachwuchskraft einstellen", erläutert der Reiseprofi. In den vergangenen Jahren sei es deutlich schwerer gefallen, geeignete Kandidaten zu finden.
Bei der Suche von Nachwuchs setze sein Büro natürlich auf bewährte Mittel. Besonders angetan zeigt sich Frey jedoch von einer Plattform für Ausbildungsplätze: Auf azubiyo.de finden sich derzeit nach Angaben des Portals mehr als 130.000 freie Stellen. Zu den Nutzern gehören Großunternehmen wie SAP oder die Deutsche Bank. Aber auch mittelständische Unternehmen sind dort vertreten.
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Über azubiyo.de habe sein Reisebüro "schon einige Rückmeldungen bekommen", sagt Frey – und auch schon Bewerber eingestellt. Die Plattform überzeuge ihn. "Wenn man Nachwuchs gewinnen will, dann muss man dorthin gehen, wo er sich derzeit aufhält." Und das sei in diesen Zeiten natürlich auch das Internet.
Aufmerksam wurde der Touristiker auf die Plattform über die Zentrale von Lufthansa City Center. Wieviel eine Suchanzeige auf der Plattform koste, könne er gar nicht sagen, erläutert Frey. LCC habe einen Rahmenvertrag mit der Plattform abgeschlossen. Die Suchanzeigen würden von seinem Reisebüro aber selbst geschaltet.
Ein weiteres Forum, das bei Touristikern in Sachen Nachwuchssuche auf Interesse stößt, ist die Facebook-Gruppe "Ausbildungsplatz 2022/23". Sein Büro habe über die Gruppe immerhin schon eine Bewerbung generiert, sagt Oliver Schaeffer, Geschäftsführer des TUI Reisecenters Bochum. Bei der Suche nach Auszubildenden müsse man sich heute breit aufstellen. Natürlich nutze sein Büro auch andere Wege, zeige etwa Präsenz in Schulen und halte engen Kontakt zur IHK. Als "sinnvolles Werkzeug" gehöre eine solche Facebook-Gruppe für ihn heute aber "zur Suche nach Nachwuchskräften dazu".
Mehr als 25.000 Mitglieder zählt "Ausbildungsplatz 2022/23" immerhin schon. Ursprünglich wurde die Gruppe in Brandenburg gegründet und bezog sich zunächst vor allem auf den Einzugsbereich Brandenburg und Berlin. Der Fokus liegt bis heute stark auf Handwerk. Zunehmend zeigten aber auch touristische Ausbildungsbetriebe Interesse an der Gruppe, etwa Hotels – und neuerdings auch Reisebüros, sagt Gruppengründer Martin Scheil. Die Interessenten kämen heute zudem auch aus anderen Bundesländern.
"In Familien ist Ausbildung häufig Frauensache"
In die Gruppe posten nicht nur Betriebe, die selbst Auszubildende suchen. Auch Interessenten, die eine Ausbildung absolvieren wollen, melden sich dort. Dabei sei für ihn interessant gewesen zu sehen, wie stark die Gruppe von Müttern genutzt werde, die auf der Suche nach Ausbildungsplätzen für ihre Kinder sind, erläutert Scheil. "Es ist offenbar so: Das Thema Ausbildung ist in Familien häufig Frauensache."
Der Touristik-Marketingexperten Max Hübner, Dozent an der Staatlichen Studienakademie Breitenbrunn, sieht in Facebook-Gruppen wie "Ausbildungsplatz 2022/23" noch erhebliches Potenzial für die Reisebranche, um Fachkräfte zu gewinnen. "Recruiting entsteht besonders oft dort, wo eine Community aufgebaut wird und entsprechende Inhalte angeboten werden", sagt er.
Dieser Content könne weit über Stellenangebote oder Stellengesuche hinausgehen. In einer solchen Guppe ließen sich beispielsweise Beiträge posten, in denen der Arbeitsalltag einer Touristikfachkraft beschrieben wird. "Wer jemanden kennt, den das interessiert, und diesen Beitrag sieht, markiert dann einfach die entsprechende Person unter dem Beitrag." Sinnvoll könnten aber auch Beiträge sein, die ganz praktische Fragen beantworten wie: Was ziehe ich zu einem Vorstellungsgespräch an? Oder wie lässt sich ein Lebenslauf optisch überzeugend gestalten?
Solche Möglichkeiten nutze die Touristikbranche noch zu wenig. "Es wird viel über den Fachkräftemangel geklagt. Aber neue Möglichkeiten werden noch zu wenig getestet", sagt Hübner. Von seinen Studenten wisse er, welche Rolle inzwischen Internet-Foren und -Plattformen bei der Arbeitsplatzsuche spielten. "Da wird insgesamt noch viel zu wenig unternommen, um darzustellen, wie attraktiv eine Arbeit etwa im Reisebüro sein kann." Je besser allerdings das Image der Branche insgesamt, desto mehr Interessenten werde es geben.
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