Er liest so gut wie alles, was ihm in die Finger kommt, sagt Jyrki Oksanen, Chef von Visit Finland in Deutschland. Da passt es ganz gut, dass er neuerdings viel Zeit in Bus und Bahn verbringt. Der beste Grund für den Verkauf seines Autos war aber ein anderer, verrät er im fvw-Tischgespräch.
Jyrki Oksanen greift in seine Brieftasche, kramt ein gelb-blaues Plastikkärtchen hervor und hält es in der Hand. "Ich habe mein Auto weggegeben", sagt er mit Stolz in der Stimme. Stattdessen nimmt er jetzt Bus und Bahn – das Plastik ist seine Monatskarte der Berliner Verkehrsbetriebe. "Angesichts der Parkplatznot ist in einer Großstadt wie Berlin ein Auto sowieso eher hinderlich als nützlich", sagt er. "Meist steht es ungebraucht zu Hause. Und einzig, um es gelegentlich zu waschen, brauche ich kein Auto."
Oksanen, Chef des finnischen Fremdenverkehrsamts in Deutschland, spricht nicht nur von Nachhaltigkeit – er lebt sie auch. Und beruflich spielt sie für ihn sowieso eine entscheidende Rolle: "Deutsche Urlauber kommen wegen der tollen Natur nach Finnland", sagt er. "Und die müssen wir bewahren." Dabei ist Natur für den 53-Jährigen auch persönlicher Rückzugsort. In der ursprünglichen Landschaft Nordkareliens, nahe der finnisch-russischen Grenze, besitzt er ein Ferienhaus. Mit nicht einmal acht Menschen pro Quadratkilometer gehört die Region zu den am dünnsten besiedelten Gebieten Europas. Und zu den naturreichsten. "Berlin und Nordkarelien – maximaler könnte der Gegensatz für mich nicht sein", sagt Jyrki Oksanen und lacht.
„Mein Leben ist überfinnisch. Auch die Botschaft ist ja finnisches Territorium. Daher reise ich gern mal woanders hin.“
Für den finnischen Tourismus ist er bereits seit vielen Jahren tätig. Als er 1988 mit seinen Eltern nach Hamburg kam und dort Deutsch studierte, jobbte er im finnischen Fremdenverkehrsamt in der Hansestadt. Drei Jahre später bot ihm die damals nach Frankfurt umgezogene Zentrale einen Job als Marketing-Manager an: "Mit 24 Jahren war ich damals der jüngste in dieser Position", erinnert er sich. Seine Aufgabe war es, von der Mainmetropole aus in den Ländern Osteuropas für Finnland als Urlaubsziel zu werben. "Da wir dort bei null anfangen mussten, habe ich durch diese Arbeit die Grundlagen des Destinationsmarketing kennengelernt", sagt er: "Eine interessante Zeit!"
Später führte er von Frankfurt aus neben der deutschen Vertretung auch die der Benelux-Staaten, seit 2010 leitet er erneut die deutsche Repräsentanz, zunächst unter dem Dach der Außenhandelsorganisation Finpro in Ginsheim-Gustavsburg, und inzwischen sitzt er als Repräsentant von Business Finland in der Berliner Botschaft des Landes. Dazwischen gab es immer wieder Krisen, Büroschließungen, Neueröffnungen, Umstrukturierungen, Orts- und sogar Länderwechsel. "Generell kann man also nicht von einer geplanten Karriere sprechen", bilanziert Oksanen. "Es hat sich alles so entwickelt."
Berlin: "Hier wohne und arbeite ich, genieße das abwechslungsreiche Kulturleben. Zum Symbol ist für mich das Brandenburger Tor geworden: Die friedliche Revolution hat einen großen Eindruck auf mich gemacht, und insgesamt habe ich in Deutschland viele Freunde gefunden."
Nordkarelien: "Natur und Einsamkeit pur. Das ist für mich der maximale, aber ideale Kontrast zum Berliner Großstadtleben. Das eigene Ferienhaus in Nordkarelien ist mein im wahrsten Sinne des Wortes kostbarstes Hobby."
Familie: "Wir machen so viel wie möglich gemeinsam. Unter anderem bereisen wir Europa, um unserer Tochter die wichtigsten Kulturstädte vorzustellen. Dabei lerne ich selbst viele Städte neu kennen – unter dem Aspekt der Kultur."
Dass der 53-Jährige auch in Amsterdam und Stockholm für Visit Finland tätig war und in London aufwuchs, hat immerhin den Vorteil, dass er neben Deutsch auch Englisch, Holländisch und Schwedisch spricht. Und da seine Eltern ihn im Alter von neun Monaten mit nach England nahmen, musste er auch Finnisch in der Schule lernen. "Aber dafür habe ich als Baby die Roaring Sixties erlebt." Und zu den Höhepunkten seines Lebens zählt er auch die Zeit der friedlichen Revolution in Deutschland und das Einreißen der Berliner Mauer Ende 1989.
Bei der Frage nach seinen Hobbys antwortet Oksanen sofort. Und wie könnte es für einen Finnen auch anders sein? "Ich gehe in die Sauna", sagt er. Dafür muss er nur wenige Schritte aus seinem Büro machen: Die Botschaft verfügt über eine eigene Anlage, und "selbstverständlich kommt alles original aus Finnland". Aber auch das Reisen zählt er zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. "Wir wollen unserer zwölfjährigen Tochter Europa zeigen", sagt er. Das führt ihn in Städte wie Rom oder Barcelona, in denen er selbst 20 Jahre lang nicht mehr war. "Heute sehe ich sie mit ganz anderen Augen – als Kulturstädte und nicht als Orte zum Partymachen."
Jyrki Oksanen, Chef Visit Finnland D/A/CH & Benelux
Karriere:Das touristische Finnland vertritt Jyrki Oksanen seit vielen Jahrzehnten. Seit Anfang 2020 hat er sein Büro in den Nordischen Botschaften in Berlin. Seine Karriere beim finnischen Touristenbüro begann er 1982, nur unterbrochen durch einige Jahre beim finnischen Rundfunk YLE und bei der PR- und Marketing-Agentur Pro Nord. Seit 2000 führt er nebenher deren Nachfolger Nordica Travel Net. Oksanen wurde 1966 in Helsinki geboren, zog aber schon mit neun Monaten nach London. Weitere Auslandsaufenthalte in Norwegen, Schweden und Amsterdam folgten. Oksanen studierte Sprachen, unter anderem Deutsch in Hamburg.
Privat: Jyrki Oksanen, 53 Jahre alt, ist verheiratet, hat eine zwölfjährige Tochter und lebt in Berlin.
Ein anderes Hobby musste Oksanen aufgegeben, nachdem er sich vor vier Jahren den Fuß gebrochen hatte: "Bis dahin bin ich jeden Morgen gelaufen, pünktlich um 5:30 Uhr klingelte der Wecker." Heute versucht er, sich mit Besuchen im Sportstudio fit zu halten. Freie Momente nutzt er überdies er überdies zum Lesen. Zu Business-Literatur greift er ebenso wie zu Biografien, Romanen und Krimis. Am liebsten liest er in den jeweiligen Originalsprachen, die Bücher kauft er häufig am Flughafen: "Da nehme ich, was ich so kriege."
Und wenn Oksanen nicht liest, hört er Musik – "viel Jazz und Klassik". Dass er musikalisch trotzdem auf der Höhe der Zeit ist, hat er gerade beim Geburtstag seiner Tochter bewiesen; "Dort habe ich die Top 50 gespielt." Immerhin hat er keinen Rapper ins Haus bestellt. Das, sagt Oksanen, ist in Finnland im Trend.
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