Arbeitszeit

Weniger Arbeitstage, höhere Produktivität

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Arbeitszeiten: Ein entscheidender Hebel für die Mitarbeiterzufriedenheit.
Arbeitszeiten: Ein entscheidender Hebel für die Mitarbeiterzufriedenheit.

In Großbritannien verlief ein Pilotprojekt zur Vier-Tage-Woche sehr positiv. 25hours Hotels setzt schon seit einem Jahr in allen Häusern der D/A/CH-Region darauf. Inzwischen ziehen andere Unternehmen nach.

Bei den 25hours Hotels stand im vergangenen Frühjahr eine wichtige Veränderung an: Die Marke mit Firmensitz in Hamburg führte die Vier-Tage-Woche in allen elf Häusern der D/A/CH-Region aus. Dieser Entscheidung war eine dreimonatige Pilotphase mit hoher Beteiligung vorausgegangen.


Am Ende sind in den deutschen Hotels fast 80 Prozent der Vollzeitbeschäftigten auf das neue Arbeitszeitmodell umgestiegen. Bei 25hours läuft das folgendermaßen ab: "Unsere Vollzeitbeschäftigten arbeiten wöchentlich vier Tage à neun Stunden und haben eine jeweils 45-minütige Pause", erklärt Kathrin Gollubits, Vice President (VP) of People & Culture.

Während die Hotelkette vor einem Jahr zu den Pionieren im Bereich der Vier-Tage-Woche gehörte, denken heute immer mehr Unternehmen darüber nach, die Arbeitszeit und vor allem die Zahl der Arbeitstage zu reduzieren. Grund dafür sind auch die vor Kurzem veröffentlichten Ergebnisse eines größeren Testlaufs zur Vier-Tage-Woche in Großbritannien. Er fand in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres statt und dauerte sechs Monate. Die beteiligten Unternehmen hatten sich bereit erklärt, dass ihre Beschäftigten nur vier Tage die Woche bei vollem Lohnausgleich arbeiten.

Das Ergebnis ist für Arbeitgeber und -nehmer gleichermaßen erfreulich: Die Produktivität ging nicht zurück. Das bestätigt auch eine Analyse von Forschern aus Boston und Cambridge, die das Projekt wissenschaftlich begleiten und Tiefen-Interviews mit den Beteiligten führen konnten. Reaktionen darauf wurden ebenfalls schon bekannt gegeben: 56 der 61 Unternehmen wollen an der Vier-Tage-Woche festhalten.

Mehr Umsatz, weniger Stress, weniger Krankheitsfälle

Und 18 von ihnen gaben an, das Modell schon dauerhaft eingeführt zu haben. "Vor Beginn des Projekts haben viele gezweifelt, ob wir eine Steigerung der Produktivität sehen würden, die die Verkürzung der Arbeitszeit ausgleicht", sagte Brendan Burchell von der Universität Cambridge in diesem Zusammenhang. "Aber genau das haben wir festgestellt." Der Analyse zufolge stieg der Umsatz der beteiligten Unternehmen durchschnittlich um 1,4 Prozent an. Außerdem verringerten sich die Krankheitstage und das gefühlte Stress-Level in der Belegschaft.

Auch in Deutschland gibt es über alle Branchen hinweg viele Firmen, die die Vier-Tage-Woche oder eine kürzere Wochenarbeitszeit zu unterschiedlichen Konditionen testen: entweder bei vollem Lohnausgleich, in Teilzeit oder über vier längere Arbeitstage im Rahmen der gesetzlich möglichen Wochenarbeitszeit. Auf Nachfrage der Redaktion bestätigt das Bewertungsportal Kununu, dass nicht nur Bewertungen mit dem Begriff Vier-Tage-Woche im vergangenen Jahr um ein Drittel gestiegen sind, sondern auch die Themen Flexibilisierung und flexibles Arbeiten.

Mit verkürzter Arbeitszeit gegen den Fachkräftemangel

Dass die Arbeitszeit ein wichtiger Hebel ist, wenn es um Maßnahmen gegen Fachkräftemangel geht, "unterschätzen viele Firmen weiterhin stark", sagt Guido Zander, Geschäftsführer der SSZ Beratung bei München. Der auf Arbeitszeit spezialisierte Experte sucht branchenübergreifend mit Unternehmen nach Lösungen, wie sie sich zukunftsfähig auf- oder umstellen können. "Beschäftigte müssen mehr Möglichkeiten bekommen, Einfluss auf ihre Arbeitszeit zu nehmen", betont er. Wichtig ist ihm bei der Analyse die Unterscheidung, ob es sich um Modelle für den Blue-Collar- oder White-Collar-Bereich handelt, denn "in der Produktion herrschen andere Strukturen als im Vertrieb". Wenn eine Verkürzung der Arbeitszeit in einer Firma nicht möglich sei, käme es umso mehr darauf an, Planungspräferenzen zu berücksichtigen.

Darum bemühen sich auch die 25hours Hotels, und zwar neben der vor einem Jahr eingeführten Vier-Tage-Woche. Doch letztens Endes "hat niemand Anrecht auf einen speziellen dritten freien Tag", so Gollubits, VP of People & Culture. "Das hängt immer vom Arbeitsbereich und der Dienstplan-Gestaltung ab. Jedes Hotel handhabt das ein bisschen anders."

Trotzdem wirkt sich die verkürzte Arbeitszeit sehr positiv auf das Recruiting aus. So kann sich die Hotelkette über eine hohe Bewerberzahl freuen, die bei durchschnittlich 1500 Einsendungen pro Monat liegt. Außerdem kehren Mitarbeiter, "die wir in der Pandemie verloren haben, zu uns zurück. Und wir können die Beschäftigten, die schon lange für uns tätig sind, durch die Vier-Tage Woche halten." Obgleich das Modell nicht der Heilige Gral sei, auch andere arbeitnehmerrelevante Faktoren berücksichtigt werden müssten, hätten die 25hours Hotels auf dem Arbeitsmarkt deutlich an Attraktivität gewonnen.

Praktische Ausgestaltung mit verschiedenen Optionen

Gleiches gilt für Fibona, ein Wiesbadener Unternehmen, zu dem die Légère Hotelgroup gehört. Dort haben die Beschäftigten seit Anfang Januar die Möglichkeit, ihre vertraglich geregelte Arbeitszeit von 40 Stunden auf vier Tage zu verteilen. Sie können aber auch auf neun oder acht Stunden reduzieren, was einem Teilzeitvertrag entspricht. Zum ersten Modell gab es im vergangenen Herbst einen Praxistest, "bei dem ein Großteil der interessierten Beschäftigten feststellte, dass zehnstündige Arbeitstage eine nicht unerhebliche Belastung sind", sagt Martin Radunz, Head of Human Resources. Das Angebot einer Vier-Tage-Woche hätten letzten Endes 21 von knapp 220 Beschäftigten in acht Hotels angenommen.

Doch die Arbeitszeitflexibilisierung werde generell wichtiger, weil Angestellte ihre jeweilige Lebenssituation immer wieder neu bewerten würden. "Dass sie die Option haben, ihre Arbeitszeit darauf einzustellen, haben sie sehr positiv aufgenommen", erklärt Radunz. Obendrein spielt die Vier-Tage-Woche in der Außendarstellung des Unternehmens eine große Rolle. Für potenzielle Mitarbeiter "ist sie ein Motivator, sich bei Fibona zu bewerben, und wird von uns daher offensiv propagiert".

Dieser Text erschien zuerst auf www.ahgz.de.




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