An dieser Stelle berichtet Oliver Graue, Redaktionsleiter Business Travel bei fvw|TravelTalk, über seine Woche im Business Travel.
Ostermontag, 18. April 2022
Seit vielen Jahren ist die größte italienische Reisemesse BIT ein fester Bestandteil meines Terminkalenders. Im ersten Corona-Jahr gehörte sie sogar zu den letzten Geschäftsreisen, zu denen ich aufgebrochen bin – Mitte Februar 2020. Nachdem sie 2021 nur virtuell stattfand, haben die Veranstalter sie für dieses Jahr in weiser Voraussicht um zwei Monate nach hinten verschoben: Statt wie gewohnt für Februar wurde das Fachpublikum nun wenige Tage vor Ostern empfangen, also Mitte April.
Und das kam in Scharen! Die Hallen brechend voll, die Aussteller hochzufrieden und alle Plätze besetzt bei den begleitenden Konferenzen: Italien ist in Reiselaune. Natürlich geht es dabei in erster Linie um das eigene Land. Gut die Hälfte der BIT-Aussteller kommen traditionell aus Italien selbst, aus den Regionen zwischen Friaul Julisch-Venetien im Norden bis Sizilien im Süden. "Nach der Pandemie wollen die Menschen endlich wieder raus", lautete unisono das Fazit der Fachbesucher: "Und zusätzlich suchen sie positive Ablenkung von den schrecklichen Kriegsnachrichten."
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So gut besucht wie die Messe war, so voll war auch Mailand selbst. Habe ich Anfang Februar den Domplatz und die Burg fast für mich allein, vor allem wenn es grau und kalt ist, waren es nun Tausende, die sich die beiden wichtigsten Attraktionen der Stadt (neben der Scala und der 1867 eröffneten Einkaufsgalerie Vittorio Emanuele) angesehen haben. Und das bei blauem Himmel und über 20 Grad! Auch die Fahrt mit der historischen Straßenbahnlinie 1, die zu meinem jährlichen Standardprogramm gehört, machte unter diesen Bedingungen nochmals mehr Spaß – zumal die Tram nicht voller war als früher.
Denn die Zeit muss einfach sein: Wenn ich schon unterwegs bin, dann möchte ich nicht nur dienstliche Gespräche vor Ort führen, Konferenzen oder Messen besuchen. Das wäre zu schade. Selbst wenn dafür nur eine Stunde Zeit ist – ein Abstecher in die Stadt darf nicht fehlen. In puncto Mailand macht das der Flug möglich: Zurück geht es erst sehr spät am Abend, wenn die Messe längst (fünf Stunden vorher!) geschlossen hat.
Und für mich ist es einfach eine schöne Tradition, bei meinen Lieblingssehenswürdigkeiten – gespickt mit der einen oder anderen Neuheit – immer mal wieder vorbeizuschauen. Vor allem, wenn sie sich wie in diesem Jahr gänzlich anders präsentieren als sonst.
Dienstag, 19. April 2022
Von Mailand nach China, genauer gesagt in die Ära der chinesischen Kulturrevolution Mai 1966 bis Oktober 1976. In diese Zeit wurde Wei Zhang geboren, die 2018 mit "Eine Mango für Mao" ihren gefeierten ersten Roman vorlegte. Mit "Satellit über Tiananmen" folgt nun der Nachfolger, und wieder entführt die längst in der Schweiz lebende Autorin zurück in die "Kulturrevolution", der am Ende bis zu 20 Mio. Chinesen zum Opfer fielen.
Doch Wei Zhang geht es nicht darum, den Horror dieser Zeit darzustellen. Stattdessen schildert sie den Alltag von "Großmutter" Guo und ihrer Familie, die – als Angehörige der Arbeiterklasse – in das einigermaßen komfortable "Harmoniedorf" umziehen dürfen. Zu dessen Füßen wiederum liegt die gigantische Dongshan-Stahlfabrik, die nur ein Motto kennt: Produktionsrekorde aufstellen.
Höchst anschaulich, kurzweilig und komisch stellt sie das Leben im Harmoniedorf dar – es ist allein vom Stahl geprägt. Sogar die Hausfrauen des Quartiers bauen einen eigenen Hochofen, um es den Männern in der Mega-Fabrik zu zeigen, was damit verglichen wird, einen Satelliten ins All zu schießen. Aber so allumfassend Mao das Leben der Menschen allein in den Dienst des Kommunismus stellen will – es gelingt nicht. Mitreißend und liebevoll schildert Wei Zhang, wie auch in widrigen Zeiten das Individuelle den Ton angibt, wie Liebe und Schicksal immer wieder die Oberhand gewinnen.
Dabei gelingt es der Autorin, gerade durch dieses scheinbar "harmlose" Erzählen die selbstherrliche Radikalität der kommunistischen Funktionäre und ihr absurdes Denken zu entlarven – und der Menschlichkeit zum Durchbruch zu verhelfen.
Wei Zhang: Satellit über Tiananmen. Erschienen im Verlag Salis. 386 Seiten, Preis: 24 Euro.
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