Meine Woche | KW07

Das Problem mit dem Trinkgeld

FVW Medien/OG
Oliver Graue, Redaktionsleiter Business Travel bei fvw|TravelTalk, auf Gran Canaria.
Oliver Graue, Redaktionsleiter Business Travel bei fvw|TravelTalk, auf Gran Canaria.

Oliver Graue ist bei fvw|TravelTalk unter anderem für das Thema Business Travel zuständig. In seinem wöchentlichen Blog berichtet er aus dem Leben eines Reiseredakteurs.

Sonntag, 12. Februar 2023

Es ist ein Thema, das (nicht nur) auf Geschäftsreise immer wieder aufkommt: Wieviel Trinkgeld gibt man? Wie gibt man es? Wem gebührt es? Und gibt man es überhaupt?

Ich kann mich noch an Zeiten erinnern – so vor 25 oder 30 Jahren –, da wurde in Deutschland aufgerundet. Ob im Restaurant, im Taxi oder beim Friseur: Man gab den nächsthöheren runden Betrag. In der Regel war das deutlich weniger als die zehn Prozent, von denen dann irgendwann später gesprochen wurde. Die aber – so mein Eindruck – werden inzwischen erwartet.

"Hotelkette testet Trinkgeld-Pauschale", so betitelten wir vor einiger Zeit einen Artikel auf fvw.de. Sein Inhalt: Statt es den Kunden zu überlassen, berechnet ein Hotelbetreiber seinen Gästen nun automatisch eine tägliche Trinkgeld-Pauschale von zehn Euro (die der Gast aber ablehnen darf). Vorbild sind die Kreuzfahrt-Reedereien, die bereits seit langem solche pauschalen Trinkgelder erheben.

Ist eine solche Praxis in Ordnung – oder nicht? Eigentlich will ich mit meinem Trinkgeld doch jemanden auszeichnen, der eine in meinen Augen besonders gute Leistung erbracht hat. Und es soll nicht eine Zwangsgebühr sein, die zusätzlich zu den bereits bezahlten Übernachtungs- und Mahlzeitenpreisen fällig wird.

Nein, ich bin nicht geizig. Aber mit einer "Trinkgeld-Pauschale" kann ich mich dennoch nicht anfreunden. Besonders gut hat mir daher eine Zuschrift gefallen, die fvw.de-Leser Felix Hasskerl mir als Reaktion auf den erwähnten Artikel geschickt hat:

"Werden die Angestellten ordentlich nach Tarif bezahlt, oder sogar mit einem Bonus von der Geschäftsleitung, sind solche Extra-Trinkgelder nicht nötig", schreibt er und verweist auf Skandinavien, wo es Trinkgelder fast ebenso wenig gibt wie Mini-Löhne. "Der Kunde zahlt einen angemessenen Zimmer- oder Essenspreis, und dann sind Zusatz-Trinkgelder nicht nötig. Nur wer will, kann auch als Kunde den Angestellten persönlich ein zusätzliches Trinkgeld geben. Das ist die richtige Lösung!"

Für den Leser geht es dabei auch um Werte im Tourismus. Angemessene Löhne sind ein Menschenrecht. "Nachhaltigkeit bedeutet für mich und meine Verkaufstätigkeit auch, die Menschenrechte bei meinen angebotenen Destination zu wahren – auch wenn ich dann selbst weniger Umsatz und Verdienst habe", so lautet seine Bilanz.

Montag, 13. Februar 2023

Alles auf rückwärts: So gewöhnungsbedürftig, wie es zu Beginn der Corona-Pandemie war, Personen mit Maske zu sehen, so komisch kommt es mir heute vor, (fast) allen wieder mit nacktem Gesicht zu begegnen. Ohne Frage – so ist es in jedem Fall viel schöner als vorher.

Spannend ist aber, wie schnell es zu dem Herunterreißen der Masken gekommen ist. Nur wenige Tage, nachdem Hamburg die Tragepflicht im öffentlichen Nahverkehr gestrichen hat, sieht man so gut wie niemanden mehr, der noch einen solchen Schutz trägt.

Nur ganz selten begegnet man noch einem solchen Maskenträger, und ich frage mich: Sind das jetzt die neuen Querdenker?

Dienstag, 14. Februar 2023

Er ist einer der ersten Romane in diesem Jahr, die ich regelrecht verschlungen habe – und bei dem ich mich einfach toll gefühlt habe: "Flamingo", das neue Buch der britischen Autorin Rachel Elliott (erschienen im Mare-Verlag, 432 Seiten, 24 Euro).

Mare

Obwohl die Geschichte alles andere als fröhlich startet und obwohl die Hauptfiguren vom gesellschaftlichen Mainstream weit entfernt sind: Man leidet und freut sich mit ihnen mit, möchte sofort mit ihnen Freundschaft schließen oder sie sogar in die eigene Familie aufnehmen.

Das wiederum liegt vor allem an dem wunderschönen Schreibstil Elliotts – warm, zart und präzise. Und daran, dass sie ihre Figuren mit all ihren (menschlichen) Fehlern darstellt, solche, die man auch von sich selbst sehr gut kennt.

Im Mittepunkt des Romans steht Daniel Berry, der nicht nur von seiner Verlobten verlassen, sondern dem auch von seinem Vermieter fristlos gekündigt wurde. Nur eines ist ihm geblieben, das ihn an schönere Zeiten erinnert: ein kleines Keramikschaf. Und dann ist da noch eine Fremde, der Daniel zufällig begegnet: Sherry Mash. Drei rosafarbene Flamingos leben im Vorgarten ihres Hauses in Norfolk, ein Umstand, der Daniel daran erinnert, einmal glücklich gewesen zu sein. Und ihm klarmacht, es auch wieder werden zu können.

Herzzerreißend und voller Humor ist dieser Roman, der von der hohen Bedeutung menschlicher Bindung, von Familie und Freundschaft handelt, und davon, wie man es lernen kann, seine Ängste zu bekämpfen. Kitschig ist das Buch an keiner Stelle. Ganz im Gegenteil ist es auch eine Art Therapie für seine Leserinnen und Leser. Eine, auf die man sich mit großer Freude einlässt.


4 Kommentare Kommentieren

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3.
Ingo Simandi
Erstellt 14. Februar 2023 21:14 | Permanent-Link

Trinkgelder sind in einigen Branchen ein Teil der Entlohnung. Trinkgelder sind eine Anerkennung für eine Leistung, die der Kunde erhält, oder auch nicht, dann gibt es aber auch nichts. In der Kreuzfahrt war es früher üblich, dass man verschiedene Briefumschläge erhalten hat, für die einzelnen Bereiche und die konnte man entsprechend, nach der Serviceleistung, befüllen. Heute gibt es eine pauschale Erhebung und keiner kann nachvollziehen, ober das Trinkgeld dort ankommt, wo es vermeindlich hin sollte.
Nur ein Beispiel, die Hotelrezeption, macht viel, ist für alles Verantwortlich und wird bei den Trinkgeldern stiefmütterlich behandelt, obwohl immer der erste Ansprechpartner bei Problemen, Wünschen und Beschwerden.
Ich gebe gerne, einer Leistung entsprechendes, Trinkgeld und meist gibt es ein lächeln zurück.

2.
Rainer Maertens
Erstellt 14. Februar 2023 11:08 | Permanent-Link

Die (negative) Einstellung zum Trinkgeld ist eher ein deutsches Problem.

In den Urlaubsländern sollen die Angestellten sogar an der Höhe des Trinkgeldes die Herkunftsgegend des Urlaubers erkennen. Da kommt Sachsen eigentlich noch gut Weg ;).

Aber immer mit etwas Humor, aber auch selbstreflektierend solche Aussagen von Hotelmitarbeitern sehen.

Jan Lehmann
Erstellt 14. Februar 2023 17:01 | Permanent-Link

@Rainer Maertens: Da hast du recht – wir in Sachsen gelten tatsächlich eher als spendabel ! ;o)
Aber gegen eine Pauschale bin ich definitiv auch. Etwas Stimulation hat noch nie geschadet und wenn die Mitarbeiter die Pauschale ohnehin bekommen, könnte das eher die Motivation senken.
Ferner ist es aber auch ein psychologisches Problem der Preisgestaltung. Wem ist das noch nicht passiert: ein runder Preis von beispielsweise 20,- € motiviert unterschwellig eher, kein Trinkgeld zu geben, als eine Ansage von 18,30 € – wo man dann schön aufrunden kann.

1.
Dietmar Pedersen
Erstellt 14. Februar 2023 10:02 | Permanent-Link

Wenn bei einer Kreuzfahrt oder auch in einem Hotel die Trinkgeldabbuchung voreingestellt ist und der Abbuchung aktiv widersprochen werden muss, dann ist das ein (versteckter) Preisbestandteil.

Auf einem Kreuzfahrtschiff sind 2000 Gäste und 700 Angestellte. Jeder Angestellte soll also 30 Euro Trinkgeld pro Tag kriegen? Das sind 900 Euro im Monat.

Ich gebe gerne Trinkgeld, aber nur bei Leistungen zwischen sehr gut und befriedigend. Bei ausreichend bis ungenügend gibt es wenig bis kein Trinkgeld.



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