Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in einem Schreiben klargestellt: Nicht-EU-Reiseveranstalter müssen per sofort Umsatzsteuer auf Deutschland-Produkte zahlen. Umgekehrt können Mice-Anbieter diese nun vermeiden.
Ab sofort müssen Reiseveranstalter, die nicht in der EU sitzen, statt wie bislang ihre Marge den vollen Verkaufspreis der von ihnen eingekauften Reisevorleistungen besteuern – also mit 7 und 19 Prozent. Das hat das Bundesfinanzministerium (BMF) in einem Schreiben bekannt gegeben.
Hintergrund ist es, Steuerschlupflöcher zu stopfen, die sich durch den Brexit ergeben. Danach könnten sich Reiseveranstalter recht einfach in Großbritannien als "Limited" anmelden und damit nicht nur die klassische Umsatzsteuer, sondern auch die Margensteuer umgehen. Dem schiebt das BMF nun einen Riegel vor.
Mice-Branche kann Margensteuer vermeiden
Umgekehrt allerdings bedeutet das, das die Mice-Branche nun die Möglichkeit hat, die gerade erst frisch eingeführte Margensteuer zu vermeiden. Das funktioniert, indem sich der Mice-Anbieter in Großbritannien selbst oder als Tochterfirma anmeldet. Dann wird wie früher die Umsatzsteuer auf den vollen Verkaufspreis fällig.
Für den Steuerrechtsexperten Volker Jorczyk ist das Schreiben sogar eine Art "Programm für die Stärkung des Mice- und Messestandorts Deutschland". Die Erklärung ist simpel: Auch B2B-Anbieter – also Tagungs- und Event-Agenturen – unterliegen nun wieder der Regelbesteuerung, sofern sie, "und das ist leider der Wermutstropfen", in einem Land außerhalb der EU ansässig sind.
Britische Tochter zur Steuervermeidung
Mit einer britischen "Limited" wäre das zumindest recht einfach zu realisieren: Deutsche Mice-Anbieter könnten in Großbritannien eine Tochter ins Leben rufen und damit das Gespenst der Margensteuer abstreifen, welches noch 2020 die Geschäftsreisebranche in helle Aufregung versetzte.
Damals hatte die Bundesregierung nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes beschlossen, dass auch bei B2B-Anbietern wie Mice-Agenturen oder Paketern die Margenbesteuerung anzuwenden ist. Zuvor arbeiteten sie nach der Maßgabe der Regelbesteuerung.
Preise und Provision offenlegen?
Firmenkunden erhielten also von den Agenturen eine Rechnung mit Umsatzsteuer, die sie als Vorsteuer von ihrer eigenen Steuerschuld abziehen konnten. Das funktioniert jetzt nur noch, wenn die Agentur als Vermittler auftritt. Dann aber müsste diese nicht nur die Preise der Leistungsträger wie etwa der Hotels sichtbar machen, sondern auch die eigene Provision. Unangenehme Folge: Die Mice-Agentur verrät den Kunden ihre speziellen Konditionen und Margen – für viele nicht hinnehmbar.
Nun dürfen laut BMF die Anbieter wieder steuerneutral anbieten – eben über eine britische Tochter. "Bei großen Messen lassen sich da schnell Millionen Euro sparen", sagt Jorczyk. Und dies, ohne in die eher unglückliche Mittlerrolle schlüpfen zu müssen.
Deutschland lockt mit attraktiven Preisen
"Mice-Anbieter können ihre Preise für den deutschen Markt nun wieder selbst und ganz allein machen." Zwar entgeht dem deutschen Fiskus damit der eine oder andere Euro (den er vor 2020 aber ja auch nicht hatte), dafür lockt Deutschland nun mit attraktiven Preisen, was die Ausrichtung von Events angeht.
Und eine sich auch dadurch belebende Nachfrage kann Europas größter Messestandort gut gebrauchen nach der coronabedingten Magerkost.
1 Kommentar
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Inwieweit es ein Fortschritt sein soll, dass deutsche MICE-Anbieter über ein Steuerkonstrukt in UK oder CH wieder in die Regelbesteuerung kommen, erschließt sich mir nicht. Es bleibt der Fakt, dass man in Deutschland benachteiligt ist.